Rente auf drei Säulen: Das Schweizer Modell (t-online)
Die gesetzliche Alterssicherung in der Schweiz in ihrer jetzigen Form wurde während
eines fünfzig Jahre dauernden Prozesses geschaffen. Dabei spielten die
Eigenarten des politischen Systems der Schweiz eine Rolle. Im einem legislativen
Mischverhältnis zwischen Kantonen, Bund und Referenden wird die Gesetzgebung
geprägt. Die Altersvorsorge in der Schweiz beruht auf drei Säulen: eine
obligatorische Versicherung, eine ergänzende kapitalgedeckte Versicherung und
eine staatlich geförderte Eigenvorsorge.
Die erste Säule: Obligatorische Versicherung
Die erste Säule ist eine obligatorische, existenzsichernde Alters-,
Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV) mit kantonalen Ergänzungsleistungen
im Bedarfsfall. Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz ist anspruchsberechtigt.
Auch versichert sind Personen, die in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit
nachgehen (z.B. Grenzgänger, Saisonarbeiter).
Allen Erwerbstätige zahlen ein
Beitragspflichtig sind ausnahmslos alle Erwerbstätigen. Arbeitnehmer und
Arbeitgeber entrichten 4,2 Prozent des Bruttolohns an die AHV und 0,7 Prozent an
die IV. Selbständige dagegen zahlen 9,2 Prozent ihrs Erwerbseinkommens. Für
Studenten, Hausfrauen und Arbeitslosen beginnt die Beitragspflicht nach dem 20.
Lebensjahr und endet mit dem Erreichen des Rentenalters. Die Beiträge schwanken
- je nach Einkommen - zwischen 390 Franken (244 Euro) und 10.100 Franken (6315
Euro) pro Jahr.
Maximal 1257 Euro Rente
Bei einer lückenlosen Beitragsdauer wird eine Vollrente gewährt. Sie betrug im
Jahr 1999 zwischen 1.005 Franken (628 Euro) und 2.010 Franken (1257 Euro). Der
erstgenannte Rentenbetrag ist eine garantierte Mindestrente. Die Zweitgenannte
dagegen eine nach oben hin begrenzte Maximalrente. Die Berechnung dieser Renten
erfolgt aufgrund der Beitragsjahre des Versicherten und seines Jahreseinkommens,
das im Durchschnitt der gesamten Versicherungszeit ermittelt wird. Wird keine
vollständige Beitragsdauer erbracht, so werden Teilrenten ausgezahlt, die auf
einer festgesetzten Rentenskala ermittelt werden. Wer unter die Mindestrente
rutscht, erhält Ergänzungsleistungen, um den Existenzbedarf zu decken. Gegenwärtig
sind rund 15 Prozent der schweizerischen Rentner darauf angewiesen.
Beispiele für die Rentenhöhe
Ein Beispiel: Ein Anspruchsberechtigter mit einem Jahreseinkommen von
durchschnittlich bis 12.060 Franken (7541 Euro) erhält bei vollem
Beitragszeitraum konstant die Mindestrente ausbezahlt. Analog erhält jede
Person mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 72.360 Franken (45.245
Euro) und mehr die verbriefte Maximalrente. Die Rente eines Ehepaares kann
maximal 150 Prozent der Mindestrente betragen 3015 Franken (1885 Euro).
Hinzukommen können Zusatz- und so genannte Kinderrenten, die als Ersatz für
die Kinderzulage dienen, die in der Schweiz als Teil des Lohns gezahlt wird.
Wer wartet bekommt mehr
Die Männer in der Schweiz haben nach Vollendung des 65. Lebensjahres, die
Frauen nach Vollendung des 64. Lebensjahres, einen Anspruch auf Altersrenten.
Bei früherer Inanspruchnahme der Altersrente werden die Renten individuell bis
zu 6,8 Prozent bei Männern und bei Frauen bis zum Jahr 2008 um 3,4 Prozent gekürzt.
Ein gewichtiger Baustein in diesem Rentensystem ist die Möglichkeit, den Bezug
der Rente um höchstens fünf Jahre hinauszuschieben. Diese freiwillige
Entscheidung wird mit Zuschlägen zwischen 5,2 und 31,5 Prozent prämiert.
Umlageverfahren
Die Finanzierung der AHV/IV erfolgt im Umlageverfahren. Die Schwankungsreserve
der Rentenkasse liegt bei 90 Prozent. Die Verzinsung dieser "eisernen Rücklage"
erbringt vier Prozent der Ausgaben. Eingenommen wird das Kapital durch die Beiträge
der Versicherten sowie der Arbeitgeber, sowie durch Subventionen von Bund und
Kantonen. Die vom Staat getragene Mitfinanzierung setzt sich aus Steuereinnahmen
zusammen. Der Richtwert dieser Aufwendungen orientiert sich nach den jährlichen
Ausgaben der Rentenversicherung. Alle zwei Jahre werden die Renten der Lohn- und
Preisentwicklung angepasst, wobei Ausnahmen bestehen, sobald der
Konsumentenpreisindex vier Prozent überschreitet. Bei solchen Fällen findet
die Anpassung jährlich statt.
Die zweite Säule besteht aus einer beruflichen Vorsorge (BV) mit
gesetzlicher Minimalversicherung und freiwilliger Höherversicherung. Sie ergänzt
die erste Säule. Die BV ist eine kapitalgedeckte Pensionsversicherung.
Bedeutsam dabei ist, dass die Vorsorgeeinrichtungen, die dafür verantwortlich
sind, die Leistungen und Finanzierung selbst bestimmen können. Der Arbeitgeber
bestimmt, in welche Einrichtung der Arbeitnehmer eintreten muss.
Betriebliche Vorsorge verpflichtend
Diese Einrichtungen versichern Tod, Invalidität und Alter und entrichten
Leistungen nach eigenen aufgestellten Plänen. Gespeist wird der Kapitalbedarf
von den Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der Anlage des Vermögens,
wobei dabei grundsätzlich das Kapitaldeckungsverfahren gilt. Sobald ein
Jahreseinkommen von mehr als 24.120 Franken (15.082 Euro) erzielt wird, muss in
die berufliche Vorsorge eingezahlt werden. Selbstständige können freiwillig
eintreten.
20 Prozent Beitrag
Die Beiträge sind je nach Alter und Lohn gestaffelt. Sie betragen zwischen
sieben und 18 Prozent des Bruttolohnes und werden paritätisch von Arbeitgeber
und Arbeitnehmer getragen. Somit liegen die Beiträge von AHV/IV und BV bei etwa
20 Prozent der Lohnsumme. Die Rentenzahlungen können bei der BV auch als
Kapitalabfindung abgegolten werden. Die Leistungen, welche die Leistungsempfänger
erhalten, belaufen sich auf 7,2 Prozent der Ansparsumme.
Die dritte Säule: Staatlich geförderte Eigenvorsorge
Das Prinzip der dritten Säule entspricht einer vom Staat geförderten
Eigeninitiative. Jeder Scheizer kann, je nach finanzieller Möglichkeit, eigene
Vorsorgevorhaben verwirklichen. Zumeist richtet sich diese Vorsorge an Personen,
die nicht von der zweite Säule profitieren. Bedingung ist allerdings, erwerbstätig
zu sein. Die Beträge in eingezahlten Sparplänen und Versicherungspolicen können
bis zu einer Höchstgrenze von 5.789 Franken (3.620 Euro) vom versteuernden
Einkommen abgesetzt werden. Diese Beträge bleiben bis zum Rentenalter gesperrt.
Wenn sich der Versicherte entschließt, den fälligen Betrag frühestens fünf
Jahre vor seiner Pensionierung zu erhalten, so muss er versteuert werden.
Solidar-System
Bezeichnend für das "Schweizer Modell" ist die Solidarität
einkommensstarker gegenüber einkommensschwacher Personen. Eine
Beitragsbemessungsgrenze fehlt entsprechend. Anders als in Deutschland, wo für
Löhne und Gehälter nur bis zu einer bestimmten Höhe Rentenbeiträge gezahlt
werden müssen, bezahlen die Schweizer bei hohen Löhnen und Gehältern auch
dementsprechende Beiträge. Außerdem beteiligen sich ausnahmslos alle an diesem
System. Niemand wird ausgenommen, ob Hausfrau, Student oder Personen mit Einkünften
aus Kapitalanlagen. Die Empfänger der maximalen Altersrente erhalten zwar nicht
die eingezahlten Beiträge voll zurück, unterstützen aber damit ein
funktionierendes Rentensystem.